Breitbandlautsprecher haben den großen Vorteil, dass die Musik aus nur einer Schallquelle wiedergegeben wird und nicht, wie bei Mehrwegesystemen, ver-teilt über mehrere Lautsprecherchassis.
Man kommt somit dem Ideal einer Punktschallquelle sehr nahe, was vorteilhaft für eine räumliche und geschlossene Wiedergabe ist, bzw. sein kann.
Breitbänder haben jedoch prinzipbedingt häufig Schwierigkeiten den Hochton-bereich mit dem gleichen Schalldruck wie die restlichen Frequenzbereiche wiederzugeben. Oft sind die oberen Höhen mehrere Dezibel leiser als der Mittelton- und Bassbereich. Um den Frequenzgang gerade zu bügeln, wird dem lauteren, mittleren Musiksignal häufig mittels geeigneter Saugkreise Energie entzogen, um auf diese Weise eine Frequenzganglinearisierung zu erreichen. Der Mitteltonbereich wird durch die Absenkung einfach auf das Niveau des leiseren Hochtonbereichs angeglichen.
Dies hat jedoch den entscheidenden Nachteil, dass der Wirkungsgrad durch diesen Energieentzug reduziert wird. Besser wäre es, wenn man den Hochton-bereich anheben könnte. Jedoch scheint dies auf rein passive Art unmöglich zu sein. Wie soll es möglich sein, einen bestimmten Frequenzbereich ohne aktive Verstärkung anzuheben?
Dies ist jedoch überraschenderweise ganz einfach und ohne großen Aufwand realisierbar ... das Zauberwort lautet Resonanzfrequenz.
Diese Idee ist keineswegs neu und schon mal gar nicht von mir erdacht. Schon mein Professor im Fachbereich "Technische Akustik", an meiner Hochschule an der ich in den 80iger Jahren studierte, kannte diesen Kniff.
Jedoch scheint es so, als ob dieser kleine Trick weitgehend unbekannt ist oder unbekannt geblieben ist. Mir ist jetzt kein Lautsprecher bekannt, der in den einschlägigen DIY-Lautsprechermagazinen eine passive Hochtonanhebung aufweisen würde. Allerdings kenne ich natürlich nicht alle Veröffentlichungen und bin auch leider nur rudimentär mit dem Thema Lautsprecher- und Frequenzweichenentwicklung vertraut und somit in diesem Thema nur bedingt kompetent.
Ganz vereinfacht betrachtet ist das Ersatzschaltbild eines (Breitband)Laut-sprechers die Reihenschaltung einer Induktivität mit einem Widerstand. Die Schwingspule des Lautsprechers entspricht dabei der Induktivität und der Gleichstromwiderstand der Schwingspule dem ohmschen Widerstand. Parallelkapazitäten der Schwingspule lassen wir einfach mal beiseite, weil diese so gering sind, dass sie hier praktisch keine Rolle spielen.
Man muss nun einfach dafür sorgen, dass die Impedanz des (Breitband)Laut-sprechers in dem Frequenzbereich ansteigt, wo der Frequenzgang abfällt. Eine Impedanzerhöhung eines RL-Serienkreises (entspricht, wie oben erwähnt, dem vereinfachten Ersatzschaltbild eines Lautsprechers) erreicht man durch Parallelschaltung eines Kondensators. So wird daraus ein (gedämpfter) Parallel-Resonanzkreis, der bei seiner Resonanzfrequenz am hochohmigsten ist.
Nun ist diese partielle Hochohmigkeit natürlich erst dann in der Lage einen Spannungsabfall und damit einen Pegelanstieg zu generieren, wenn der Laut-sprecher nicht aus einer niederohmigen Quelle (Endverstärker) gespeist wird, was bei modernen Audioendstufen jedoch praktisch immer der Fall ist (lassen wir mal die hochohmigen und doch recht exotischen spannungsgesteuerten Stromverstärker außen vor).
Man könnte nun ganz simpel einen ohmschen Widerstand in Reihe zum neu geschaffenen (Parallel)Resonanzkreis schalten. Obwohl diese einfache Maß-nahme grundsätzlich funktionieren würde, hätte sie aber zwei entscheidende Nachteile.
Erstens würde damit Leistung im Widerstand "verbraten" und zwar nicht nur im Hochtonbereich, sondern über den gesamten Audiobereich. Und außerdem ginge dadurch auch der Wirkungsgrad des Lautsprechers massiv in den Keller.
Zweitens würde mit dieser Maßnahme der Dämpfungsfaktor ebenfalls sehr stark verringert, was negative Auswirkungen auf das Ausschwingverhalten des Lautsprechers hat, bzw. haben könnte.
Dies ist also keine Lösung!
Aber man kann statt eines ohmschen Widerstandes vorteilhaft eine Induktivität nehmen, die so dimensioniert ist, dass sie im hohen Frequenzbereich einen erhöhten (Blind)widerstand hat und im mittleren und tiefen Frequenzbereich einen niedrigen Widerstand aufweist (bis hinab zum Gleichstromwiderstand). Somit fällt über diese Reiheninduktivität im unteren und mittleren Frequenz-bereich praktisch keine Leistung ab, sondern nur im gewünschten Hochton-bereich. Da jedoch der Parallelresonanzkreis im oberen Frequenzbereich deutlich hochohmiger wird als der Widerstand der Reiheninduktivität (würde es sich um eine ideale Lautsprecherschwingspule handeln, also mit dem Gleich-stromwiderstand Null, würde der Schwingkreis bei seiner Resonanzfrequenz sogar unendlich hochohmig werden), fällt somit über dem Lautsprecherchassis im Hochtonbereich auch mehr Spannung ab, womit dieser Frequenzbereich lauter wiedergegeben wird ... und das wollten wir ja erreichen.
Klingt simpel, ist auch simpel und funktioniert einwandfrei.
Nachfolgend noch einmal eine kurze Zusammenfassung, was zu tun ist.
Man schaltet parallel zu den Anschlussklemmen des (Breitband)Lautsprechers
einen Kondensator und in Reihe zu diesem Gebilde eine Spule. Fertig ist die Hochtonanhebung!
Nur, wie dimensioniert man die beiden Bauteile?
Ich habe diese Dimensionierung mal vor mehreren Jahren mathematisch her-geleitet (siehe dazu auch unten das PDF-Dokument "Hochtonanhebung bei Breitbändern"). Allerdings wird da ein Außenstehender höchstwahrscheinlich nicht durchblicken, da einige Herleitungen zu den endgültigen Gleichungen fehlen und das Ganze von mir nicht immer sauber chronologisch niederge-schrieben wurde ... ich hab da teilweise schon ordentlich geschlampt. Die Gleichungen stimmen jedoch zu 100% und sind definitiv korrekt.
Der ganze Mathekram ist jedoch in der Praxis gar nicht notwendig und auch nur bedingt aussagefähig, da so ein Lautsprecher ein elektromechanisches und nicht nur ein rein elektrisches Gebilde ist. Das heißt, dass sowohl mechanische Resonanzen, als auch alle mechanischen Parameter den Frequenzgang beeinflussen, die mit einem einfachen elektrischen Ersatzschaltbild nicht erfasst werden können. Das Ganze muss deshalb empirisch ermittelt und getestet werden.
Dazu nun nachfolgend ein geeignetes Kochrezept:
Zuerst wickelt oder erwirbt man eine Luftspule mit einer Induktivität von 100µH (0,1mH) und einer Drahtstärke von 0,8, besser wären sogar 1,0 mm. Dies sind, je nach Durchmesser der Luftspule, nur einige wenige Windungen. Den doch vergleichsweise dicken Draht sollte man nehmen, um einen geringen ohm-schen Widerstand und damit geringe Verluste zu erhalten. Gut geeignet ist der Spulentyp M-L100-010 der Firma Mundorf. Erhältlich z.B. hier.
Selbstverständlich funktioniert aber auch jede andere Luftspule mit den oben angegeben Werten, die von anderen Herstellern stammt und eventuell sogar preiswerter ist.
Dann nimmt man einen (MKP)Folienkondensator mit einer Kapazität von 2µ2 und 250 Volt Spannungsfestigkeit. Für`s erste Ausprobieren gut geeignet und auch sehr preiswert ist der Kondensator mo-111530 der Firma Monacor. Erhältlich z.B. hier.
Dann werden beide Bauteile direkt an den Lautsprecher gelötet, also parallel zu den beiden Lötkontakten des Lautsprechers kommt der Kondensator und dann in Reihe dazu die Luftspule. Nun hört man sich das Ganze erst einmal an und wird sofort feststellen, dass das Klangbild nun wesentlich höhenbetonter als zuvor ist.
Durch Variation des Kondensators kann der Einsatzpunkt der Hochtonanhe-bung beeinflusst werden. Je kleiner der Kondensatorwert, desto höher liegt der Resonanzpunkt und damit der Bereich in dem die hohen Frequenzen angeho-ben werden. Möchte man das Klangbild z.B. im ganz hohen Frequenzbereich auffrischen, so sollte ein Kondensatorwert von 1 ... 1µ5 genommen werden. Ist der komplette Hochtonbereich zu matt, kann ein Wert von 3µ3 eventuell passender sein. Hier heißt es ausprobieren!
Sehr häufig ist die Resonanzüberhöhung aber viel zu spitz, d.h. der Resonanz-kreis hat eine zu hohe Güte. Diese Überhöhung wird nun durch die Parallel-schaltung eines Widerstandes zum Kondensator entschärft (die Güte wird verringert) und in die "Frequenzbreite" gezogen (siehe dazu auch unten die unterschiedlichen Simulationen). Beginnen sollte man vielleicht mit einem 33R Widerstand, der eine Belastbarkeit von mindestens 10 Watt aufweisen sollte. Eventuell muss dieser Widerstand auch auf 22R reduziert werden. Je nieder-ohmiger der Widerstand, desto geringer wird die Güte des Schwingkreises und damit auch die Amplitudenüberhöhung. Viel niederohmiger als so ca. 22 Ohm sollte man den Widerstand jedoch nicht dimensionieren, da dieser immer auch parallel zum Verstärkerausgang liegt und somit ständig Leistung in ihm um-gesetzt wird. Insbesondere im stromintensiven Bassbereich muss der Parallel-widerstand eine hohe Leistung aufnehmen. Diese Leistung, bzw. der Strom, wird auch nicht durch die 0,1mH Serien-Spule begrenzt, da diese im nieder-frequenten Bassbereich vollkommen niederohmig ist (Gleichstromwiderstand).
Ich bin mir durchaus bewusst, dass die Abstimmung eines Lautsprechers ohne Messgeräte kein einfaches Unterfangen ist. Hier wird aber nur ein Frequenz-bereich beeinflusst, nämlich der der hohen Frequenzen und es werden auch keine Frequenzen gesplittet wie bei einer klassischen Frequenzweiche. Somit ist die (Hör)Aufgabe in diesem Fall doch recht stark vereinfacht und meiner Meinung nach, auch ohne Messgerätepark durchaus zu bewältigen.
Man kann natürlich darüber diskutieren, ob so eine passive Hochtonanhebung überhaupt sinnvoll ist. Wenn einem das eventuell zu matte Klangbild eines Breitbandlautsprechers nicht gefällt, muss eben auf ein Mehrwegelautsprecher ausgewichen werden oder man sucht sich einen anderen Breitbänder, der auch den oberen Hochtonbereich, entsprechend dem eigenen Hörgeschmack, lautstark wiedergeben kann.
Aber man kann mit diesem kleinen Trick einfachen und/oder preiswerten Breit-bandlautsprecher ein wenig auf die (Hochton)Sprünge helfen. Ein Versuch ist es meiner Meinung nach aber auf jeden Fall wert. Insbesondere, da der mone-täre Einsatz, bedingt durch die kleinen Bauteilewerte, sehr überschaubar bleibt.
Abschließend noch ein Hinweis.
Sollte der endgültige Kondensatorwert feststehen, kann man selbstredend auch einen hochwertigeren Kondensator nehmen als der oben angeführte, sehr preiswerte Monacor-Kondensator. Ob ein unterschiedlicher Kondensator klanglich jedoch überhaupt wahrgenommen wird, steht auf einem anderen Blatt, da er ja nicht in Serie zum (Musik)Signal liegt sondern lediglich parallel dazu. Da hilft nur ausprobieren. Es macht jedoch mit Sicherheit keinen Sinn, bei einem preiswerten Breitbänder einen übermäßig teuren Kondensator ein-zubauen. Dieses Geld kann sinnvollerweise direkt in ein besseres Laut-sprecherchassis investiert werden.
Ich selbst habe mit diesem kleinen Kniff schon zwei einfachen Breitbandlaut-sprechern von Monacor und Visaton ein wenig mehr "Hochtonpfeffer" verpasst. Beides waren einfache und preiswerte Lautsprecherchassis, die ich mal vor mehreren Jahren als Computer- bzw. Küchen-Lautsprecher für zwei Bekannte "zusammenzimmerte". Allerdings muss ich gestehen, dass beide Kreationen nur bedingt für eine wirklich hochwertige Musikwiedergabe geeignet waren. Aber mit der passiven Hochtonanhebung klangen beide Schallwandler für meinen Geschmack definitiv besser als ohne.
Nachfolgend nun einige Simulationen für einen Visaton BG20.
Es handelt sich hier um einen einfachen und preiswerten Breitbandlaut-sprecher mit einem Gleichstromwiderstand der Schwingspule von 6,2R und einer Schwingspuleninduktivität von 0,8mH (laut Datenblatt des Herstellers).
Diese Simulationen berücksichtigen aber nur das elektrische Ersatzschaltbild des Lautsprecherchassis und keineswegs die (elektro)mechanischen Para-meter.
D.h. man kann anhand dieser Simulationen keinesfalls auf den endgültigen Frequenzgang schließen. Die Simulationen zeigen aber sehr gut, dass eine rein passive Hochtonanhebung, entgegen der vorherrschenden Meinung, sehr wohl machbar ist und auch in der Praxis funktioniert.
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